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Eine von mehr als 6000 re:publicas – Teil 4/4

Bald drei Wochen ist es her, dass die re:publica 2014 ihr Ende im klassischen Bohemian Rhapsody fand. Zeit genug, um rückblickend zu schauen, ob und wenn ja was davon so prominent im Gedächtnis und in den Gefühlen blieb, dass es Auswirkungen auf das tägliche Handeln hat.

Doch bevor ich dazu komme, möchte ich noch die Zusammenfassung meines vierten Tages in Berlin, dem Tag 3 der #rp14 niederschreiben. Als Erinnerung, als Basis für Gespräche, als Reminiszenz an die Menschen, mit denen ich die Zeit in Berlin verbrachte.

Nach knapp fünf Stunden, inzwischen sichtlich gezeichnet vom Mangel an Schlaf, trudelte ich – diesmal mit akzeptablem Zeitrahmen und zwei Kaffee bewaffnet – in Klein Hamburg ein, um das Frühstück mit Ina und dem Gesangswunder Jenny einzunehmen.
Mit moderater Verzögerung und genügend Energie für das anstehende Programm eröffnete ich den Reigen der besuchten Sessions mit „#idpet – Wenn Partizipation und Grundrechte kollidieren.“ Reichlich Triggermaterial, ging es doch um den Missbrauch von Online-Petitionen zur Stimmungsmache gegen Minderheiten, bei dem das Recht auf freie Meinungsäußerung als Deckmantel für Hatespeech erster Güteklasse herhält.

Die Beispiele auf den Folien sprechen für sich. Empfindliche Gemüter sollten das Anschauen unter Umständen eventuell meiden.

Nach einigem Hin und Her in Bezug auf die Räume und Zeitslots durfte ich eine mir bis dato nur aus Twitter bekannten Person lauschen: Wibke Ladwig.

Der von ihr ausgerufene Hashtag #ponyhofgate sollte im Anschluss reichlich Verwendung finden, war doch die Stage 2 quasi bis auf den letzten Sitz gefüllt.

ponyhofgate

Ihre lebendige, frohe Art, ihr unbeschwerter Wortwitz und die positive Ausstrahlung sprangen direkt über – für mich ein <3 -Mensch auf den ersten Blick. (Selten wurde mir so schnell klar, warum meine Filterbubble auf Twitter so große Stücke auf jemanden hält.) Nächstes Jahr, liebe Wibke, mag ich dich bitte persönlich kennenlernen! 🙂
Ich kann euch nur empfehlen, den Vortrag in voller Länge zu genießen.

Euphorisiert von der Session wechselte ich zu Laura Dornheim und ihrem Beitrag über die „Todessternsünden“ – einem Parallelvergleich der biblischen Todsünden mit ihren neuzeitlichen Adäquatismen aus der Netzwelt.

Informativ, und am Ende süß, als beim Angebot der „Sündenvergebung“ Lauras Schwester Lena sich zu ihrem Neid bekannte. 🙂

Da ich an Tag 1 bereits gelernt hatte, meine Sessionplanung im Zweifelsfall besser zu ignorieren, setzte ich mich herzlich uninformiert in „I predict a riot!“ von Hannah Fry. Ich sollte das öfter so machen.

Der Vortrag war zwar als „für Fortgeschrittene“ markiert, tatsächlich atmeten einige Besucher schwer, als Hannah beim Aufzeigen der Ähnlichkeiten von Krankheitsverbreitungen und der Ausbreitung der „London riots“ mal eben ein paar voluminösere mathematische Formeln auf die Leinwand zauberte. Für mehr Beiträge mit derart Tiefgang in der Zukunft! <3

Der Tag wurde noch besser: Felix Schwenzel und sein Vortrag „Wie ich lernte, die Überwachung zu lieben“ hatten die Gnade der späten Verplanung nahe am Ende der re:publica – so konnte er auf Äußerungen und Diskussionen der letzten zwei Tage bereits eingehen und nahm das direkt in seine Session auf.

Unvergessen sein Vergleich, den er für die Herstellung eines Öffentlichkeitsinteresses vornahm: Der Vorschlag, der NSA-Untersuchungsausschuss möge Edward Snowden in Deutschland befragen und gerade wegen der Androhung des juristischen Gutachtens, dass die Bundesregierung(!) ungefragt und unbeauftragt an die Mitglieder des UA verteilte – in dem es heißt, dass sich strafbar mache, wer Informationen von Snowden annehme) – in die USA reisen und sich bei der Einreise geschlossen verhaften lassen.

Das wären Bilder.

Kein tl;ds. Ansehen. Inklusive toller letzter Folie.

Schließlich entschied ich mich, begeistert über die unverhofften Inspirationen der spontan besuchten Sessions, auch für die letzte Veranstaltung gegen meine ursprüngliche Planung, die mich zu Eva und dem „Entlieben in Zeiten des Internets„geführt hätte.
Stattdessen widmete ich „The Amish Futurist and the power of buttermilk“.

Die beste Session der re:publica, aufgespart auf den letzten Slot. Eine andere Perspektive einzunehmen, so anders als das, was mein Leben ausmacht. Eine, die hinterfragt, ohne zu verurteilen.

Es mag etwas heißen, wenn ich während einer Stunde voll von begeisternden Eindrücken des bisherigen Tages das Twittern komplett einstelle und nur eines bekunde:

Um ehrlich zu sein: Ich war beim „Goodbye“, ich sang die Bohemian Rhapsody, ich freute mich, verabschiedete mich – aber in meinem Kopf kreiste der Gedanke um die unaufgeregte, unaufdringliche und vielleicht gerade deswegen so wirkungsvolle Art des Hinterfragens der letzten Session. Und auch heute, knapp drei Wochen später, kann ich dieses Gefühl wieder abrufen, wie auf Knopfdruck, ich brauche das Video nicht mal zu sehen. Daran zu denken reicht.

Mein Abschied war kurz: Ein fixes Abschiedsbier mit Nathan, Julia, Scotty und caha42 und ein kurzes Wahrnehmen des LinuxTags, der parallel am Donnerstag begonnen hatte. Ich stand noch immer neben mir. Aber zumindest funktionierte ich insoweit, als dass ich den meiner Gastgeberin versprochenen Abend nicht verpeilte.

Gegen halb neun in Neukölln angekommen, machten wir uns auf die Suche nach einem Restaurant, um uns endlich auszutauschen – schließlich hatten wir uns bereits ein Dreiviertel Jahr nicht mehr gesehen und gesprochen, von den 5 Minuten in der Nacht meiner Berliner Ankunft mal abgesehen.
Ein kleiner, einfacher, ehrlicher und sympathischer Italiener bot uns Ruhe, Essen und ein umfassendes 4-Gänge-Menü in dreieinhalb Stunden wundervollen Miteinanders.

Rebekka

Danke, meine Süße. <3 Ich freu mich auf euren Gegenbesuch in Hamburg!

Das Ergebnis des wunderbaren, ausgiebigen Erzählens war abzusehen: Knapp fünf Stunden Schlaf.

Der finale Kaffee, melancholisch-zuversichtlicher Abschied in der klassischen Post:publica-Depression, spricht für sich

Was bleibt?
Zuerst einmal das Bewusstsein, dass etwas „Klick“ gemacht hat. Ich habe Energie, ohne dass ich recht beschreiben kann, woher ich sie nehme. Zuversicht, dass sich der Kampf für Freiheit, sei es im Netz für dessen Neutralität, für mehr Gleichberechtigung, für eine Transparenz der unsäglichen Machenschaften unserer Regierung im Umgang mit dem NSA-Skandal, und für eine dem Menschen dienende Wirtschaft statt der Wirtschaft dienenden Menschen lohnt.

Die Missed Sessions: Zu viele. Dazu gehören besonders: „Burnout & Broken Comment Culture„, „Wikileaks, Manning & Snowden„, „Zahnbürste oder Longboard!„, aber auch „Into the wild – nicht mit mir!„, „Catch me if you can – Ephemere Profile und flüchtige Accounts“ und „Wildnis in der Wildnis: Digitaler Aufbruch an unseren Schulen“ (Links Youtube).
Und weil’s kein Lammsbräu gab, besorgte ich kurzerhand welches, um mit der Schuldigen anzustoßen, die mich zu meiner ersten re:publica 2013 überredete: der lieben Textzicke.

Eine sehr konkrete und sichtbare Konsequenz der re:publica 2014 wird es auch geben: Mit Sandra werde ich – frei nach Lobos tatsächlich konstruktiver Idee zur Verbesserung der Sichtbarkeit – in Hamburg unsere Bundestagsabgeordnete besuchen. Und nicht nur das: Wir werden darüber berichten und ein Blockstöckchen eröffnen, um dies in unseren Kreisen zu erweitern. Lässt uns ihnen deutlich machen, was wir von der aktuellen Politik unserer Regierung halten!

Ich danke darüber hinaus all denen, die als Bekannte, alte und neue Freunde und <3-Menschen die #rp14 zu dem für mich machten, was sie war und ist: unvergesslich.
Danke Anke, Ina, Jenny, Peter (obwohl er gar nicht auf der re:publica selbst war), Julia, Nathan, Daniel, Steffi, Mama Notes, Andreas, Su, Michaela, Petra, Christiane, Debbie, Andrea, der Andrea ihr Daniel, Piri, Zicki, Kati, Rebekka, Torsten, Max, Mirko, Torsten, Sandra. (Und ich hab garantiert Gedächtnislücken.)

Und neben all denjenigen, mit denen ich Zeit verbringen konnte, gibt es auch die, die ich leider persönlich verpasst hab:
Gianna, Anne, dat Küstenkind, und Nele. Was nicht ist, kann ja noch werden. 😉

Bleibt nur noch eines zu sagen: Du hast gefehlt, Special Herzgast all the time: Unsere Schnips. <3

Autor: steffen

Lebt. Liebt. Streitet.

2 Kommentare

    • Danke für deinen Kommentar!
      Ich habe hart mit mir gerungen, ob ich nicht die Gespräche und Erlebnisse rundrum noch stärker in den Fokus hätte rücken sollen. Letztlich wars die schiere Menge an Eindrücken, die mich dazu bewogen hat, nicht die 3 Tage multidimensional zu sezieren, sondern den – persönlichen – Gesamteindruck stehen zu lassen und mich auf das Nachvollziehbare zu konzentrieren.

      Nächstes Jahr dann vielleicht genau andersherum. 🙂

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