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TTIP im Kleinen: Schriftwechsel mit einem Bekannten

Foto: Emma Rothaar / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0

„Hallo *,

mit Schrecken habe ich von Eva* vernommen, dass McDonalds kein Gen-freies Hähnchenfleisch mehr anbieten will oder besser gesagt kann. Dabei wird von den Medien die Preisfrage in den Vordergrund gestellt. Das muss man wahrscheinlich relativieren. Denn meine Recherchen haben ergeben dass der Geflügelverband aus dem Gentechnikmoratorium ausgestiegen ist – weil die Bedingungen für Gentechnik-freie Futtermittel angeblich nicht einzuhalten sind. Probleme gibt es vor allem durch Kreuzkontamination und die Reinigung der Maschinen, Lager und Transportmittel. In wie weit Demeter und Co. dem etwas auf Dauer entgegensetzen können, ist fraglich.  Damit sind  – ausser bei selbst erzeugten Geflügelprodukten a la Schmidt*[uns beiden bekannte Familie] – wohl bald keine gentechnikfreien Eier oder Geflügelfleischwaren auf dem deutschen Markt erhältlich. Das Biosiegel für solche Waren wird dann wohl auch bald der Vergangenheit angehören. Ich habe schon festgestellt, dass es bei Lidl eine Knappheit bei Bioeiern gibt – fast immer vergriffen. Wir haben leider keine Möglichkeit an selbsterzeugte Eier zu kommen. Ob andere Fleischwaren davon auf Dauer ausgenommen bleiben, wage ich zu bezweifeln, selbst Veganer werden dann Probleme haben, wenn Sie ihr Gemüse und Obst nicht fern aller anderen Landwirtschaft selbst erzeugen. Die Bienchen und der Wind können die Pollen nicht sortieren, wenn sie einmal in Verkehr gebracht wurden und das wurden sie bereits nicht nur in Brasilien, sondern auch in Deutschland.
Angehängt die Erklärung der Deutschen Geflügelwirtschaft. Sie kriegen uns auch ohne Freihandelsabkommen …

Liebe Grüße

Adam*“

Meine Antwort darauf:

„Lieber Adam,

ich danke dir für deine Mail.
McDonalds bietet keine gentechnikfreien Geflügelprodukte an. Stimmt.
Das ist auf der einen Seite verständlich, weil bei den Abnahmemengen und der Vielzahl an Lieferanten, die sich bei einem derartigen Franchise-Betrieb zwangsweise ergeben, eine entsprechende Belieferung nach einer solchen Mitteilung des Bundesverbandes der Geflügelwirtschaft gentechnikfrei aufrecht zu erhalten. Auf der anderen Seite hat McDonalds eine Marktmacht, die – bei entsprechendem Willen – auch einen entsprechenden Druck aufbauen können.
Letztlich ist es eine Frage der Preisgestaltung – natürlich lassen sich gentechnikfreie Produkte auch in Masse sicherstellen, wen man bereit ist, den entsprechenden Preis dafür zu zahlen.

Letztlich stehen in der Futtermittelwirtschaft – im Gegensatz zur Lebensmittelwirtschaft – knallharte Überlebenskämpfe der Erzeuger im großen Rahmen auf der Alltagsordnung. Da es keinerlei direkte Beziehungen zum Verbrauchermarkt gibt, gibt es entsprechend auch wenig Alternativen. Und wenn’s in gesättigten Märkten der Produkte, die damit gefüttert werden sollen, um Konkurrenzfähigkeit geht, ist Stand heute die Wunderwaffe der ersten Wahl noch immer – der Preis.

Das gilt im Speziellen für den deutschen und den amerikanischen Markt; die Italiener, Spanier aber auch die Franzosen ziehen langsam nach.
Interessanterweise sind gerade Länder mit entsprechendem Bildungsstand und den dazugehörigen Bildungsinvestitionen diejenigen, in denen zum Beispiel die transparenteren Kennzeichnungspflichten herrschen (vorzugsweise die skandinavischen, siehe z.B. Dänemark [Hygieneampel]).

Lebensmittel kosten dort mehr, Discounter haben traditionell einen schweren Stand (nicht umsonst ist Lidl Norwegen nach mehreren Jahren Betrieb wieder aufgegeben worden) und die Kontrollen und Transparenzregeln sind rigoroser. Es geht – auch auf Seiten der Firmen – wenn man nur will.

Da auf Gewinnmaximierung orientierte juristische Personen (sprich: Firmen) weder Moral noch Ethik als Geschäftsziele definieren (von wenigen Ausnahmen abgesehen), ist auf eine Freiwilligkeit bei Veränderungen nicht zu hoffen. Dass lobbyistisch durchsetzte Politiknetzwerke schwerlich Veränderungen vorantreiben, ist ebenfalls absehbar. Geflügelverbände, die von aktiven CDU-Mitgliedern und ehemaligen schwarzen Landwirtschaftsministern [korrekter ist: Staatssekretären in schwarzen Landwirtschaftsministerien] geführt werden, sind auch nicht gerade diejenigen, auf die man Hoffnungen setzen muss. Da geht’s nicht ums Wohlergehen der Kunden oder gar der Tiere, da geht’s um Rendite.

Es liegt – wie meistens – am Verbraucher. Kleine, lokale Erzeuger mit transparenter Lieferkette, unverarbeitete Lebensmittel, Vermeidung von werbungsindizierten Impulskäufen – es ist eine konstante Züchtigung des inneren Schweinehunds, die das erfordert. Und damit etwas, was durch die mangelnde Vermittlung von grundsätzlichen Werten vorsätzlich gemindert wird, um das System der Wirtschaft nicht zu gefährden.

Es ist und bleibt damit Aufgabe des Einzelnen, sich dem zu entziehen. Aufgeben ist keine Option.

Liebe Grüße,
Steffen“

Foto: Emma Rothaar / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0
Foto: Emma Rothaar / flickr.com / CC BY-NC-ND 2.0

*Namen geändert

 

Autor: steffen

Lebt. Liebt. Streitet.

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