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Spielplatzerfahrungen: „Sollte das nicht lieber die Mutti…?“

Angeregt durch eigene Erfahrungen und die Blogposts vom Papa des Runzelfüßchens sowie von Thea (die dazu eine Blogparade mit dem Titel #papakanndas eröffnet hat) möchte ich heute gern zu einigen Bonmots meiner bisherigen Zeit als Elternteil Stellung nehmen.

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Vergebt mir bitte im Voraus die Polemik. Bei Sätzen wie den folgenden Zitaten schwillt mir einfach der Hals unwillkürlich. Muss an diesem ungenießbar machenden Gleichberechtigungsfetischismus liegen, an dem ich leide. Legen wir los.

Die Dialoge

„Brauchen Sie vielleicht ein Taschentuch? Ihr Kind… naja, man sieht da etwas.“

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Nein danke. Ich bin weder blind, blöd noch nachlässig. Nebenher kenne ich die Nasenschleimentwicklungspotenziale meines Nachwuchses sehr gut, da ich ihm bereits unzählige Male den Rotz entfernt habe. Ich bin durchaus dazu in der Lage, auf dem Spielplatz noch andere Dinge als mein Kind ins Auge zu fassen, entspannt zu bleiben und – ja, wirklich – dem Kind bei Überhand nehmender Opulenz des Schnotters selbigen flugs zu entfernen. Nein, auf dem Spielplatz muss mein Kind nicht im Sauberkeitsstatus eines Reinraums bei der Chipproduktion unterwegs sein.
Ach und: Ich habe Taschentücher dabei, aber danke für das Angebot.

„Ist denn die Mama auch schon unterwegs?“

Bestimmt. Auf dem Weg vom Gemüsegarten zum Rasenmäher. Oder andersrum. Vielleicht ist sie auch schon los, um bei der Post das Päckchen endlich abzuholen. Vielleicht sitzt sie aber auch einfach nur entspannt auf dem Liegestuhl im Garten und genießt die Sonne.
Hol ruhig Luft. Ich bin mit beiden Kindern hier, allein. Ohne Not, einfach so. Total spannend, oder?

„Schau mal der da drüben. Ist mit zwei Kindern hier und kuckt nur auf sein Handy.“

Ich bitte ergebenst um Entschuldigung für zwei Dinge: Dass ich kein Buch dabei hab, damit ich stilvoll lesen kann. Und für mein funktionierendes Gehör, das nicht nur eure implizierten Erwartungshaltungen aus diesem Kommentar wahrnehmen muss, sondern parallel dazu in der Lage ist, das eigene Kind nicht nur halbwegs zu orten, sondern auch aus dem Geräuschbrei, den das Kind so absondert, auf dessen Verfassung und Hilfebedürftigkeit Rückschlüsse zu ziehen. Und nebenher hab ich Vertrauen in SpielplatzdesignerInnen, dass die Kinder auch bei einer Minute Nichtbeobachtung noch lebend den Platz verlassen können.

„Da ruft sein Kind um Hilfe, und der geht einfach nicht hin.“

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Ich böser Rabenvater! Da steht das Kind vor einer Situation, der es bisher noch nicht begegnet ist, und ich helfe ihm nicht! Wie kann ich nur! Wenn das so weitergeht, fängt mein Kind irgendwann auch noch an, mit seinen eigenen Ideen sich dieser ihm ungewohnten Situation zu nähern. Wo kommen wir da hin!

„Was kocht denn die Mama leckeres zuhause?“

Keine Ahnung, wir haben für nächste Woche noch nichts eingekauft. Heute koche ich, wenn wir uns auf den Rückweg machen. Die Mama ist übrigens auch nicht zuhause, sondern kauft grad den Baumarkt für’s Streich- und Umbauprojekt der Kinderzimmer leer. Ja, das wird sie machen. Nein, ich übernehm da auch nicht die ‚groben Tätigkeiten‘.

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Doch ja, ich kann kochen. Sogar mehr als nur Wasser. Ehrlich.

„Hast du gesehen, wie der wickelt? Voll grob und so. Ein Wunder, dass das Kind nicht schreit.“

Bei den unzähligen Malen, bei denen ich meine Wickelfähigkeiten mit dem Kind trainieren durfte, habe ich ein Gefühl dafür entwickelt, wie ich mein Kind anfassen kann. Mit welcher Geschwindigkeit ich wickeln sollte, um nicht wegen aufsteigender Ungeduld oder schlicht eines kalten Hintern wegens Protestgeschrei zu ernten.
Meine Technik stammt übrigens von meiner Mutter, die in einer Krippe gearbeitet hat. Und ich wickele regelmäßig Kinder, seit ich 7 Jahre alt war. Ja, seit 30 Jahren. Nein, ich habe keine Berührungsängste.

„Ich frag mich, warum der so scheißfreundlich zu allen Kindern ist.“

Ich mag kleine Kinder. Die sind ehrlich, offen, direkt und authentisch. Ohne Hintergedanken. Sie sind unsere Zukunft. Und ja, ich kann mich auch riesig für und mit einem fremden Kind freuen, wenn es etwas geschafft hat, auf dass es augenscheinlich sehr stolz ist.

„Hat die Mama denn keine Jacke für das Kind eingepackt?“

Das einzige, was die Mama eingepackt hat, ist sich selbst in eine Bettdecke. Sie schläft heute aus, während wir frische Brötchen zum Frühstück holen. Das Kind wollte keine Jacke. Seine Nackentemperatur gibt seiner eigenen Einschätzung Recht. Nein, ich möchte dem Kind nicht zwangsweise eine Jacke anziehen, weil es meiner Meinung nach zu kühl ist, um ohne unterwegs zu sein.
Und ja, ich habe eine Jacke dabei. Stell dir vor, sie passt sogar farblich, ohne dass das Kind wie ein Clown rumläuft. Und nein, das hat nicht die Mama ausgesucht und eingepackt. Auch ich habe so etwas wie einen Hauch von Gespür. Für Farben ebenso wie für die Kleidungsstücke an sich, die es braucht.

„Hat Ihre Frau schon gesagt, wann sie zum Elterngespräch kommen kann?“

Ahm…nein? Abgesehen davon, dass auch ich als Vater mir Gedanken zur Entwicklungsreife meines Kindes mache, werde ich mit euch darüber diskutieren, was genau Stand der Dinge ist. Und, stellt euch vor: Wir tauschen uns zuhause darüber aus. Ehrlich!

Die Nerven

Es kostet Kraft, die Antworten, die ich hier zum Besten gegeben habe, nicht 1:1 so in der freien Wildbahn zu verwenden. Weiterhin möchte ich erwähnen, dass die geschilderten Situationen nicht der Alltag sind, sondern glücklicherweise nur gelegentlich vorkommen. Alltag ist schon eher, dass die reichlich intensiv sich austauschenden Spielplatzdamen merklich leiser werden, sobald ich als Vater mit Kind(ern) ohne weibliche Begleitung daherkomme. Und es gibt auch eine erfreulich hohe Anzahl von Vätern, die mit einer ähnlichen Gelassen- und Routiniertheit unterwegs sind. Auch ohne Begleitung.

Nichtsdetotrotz: Liebe Menschen, Väter sind zu all dem fähig, was auch Mütter ihren Kindern geben können. (Sehen wir mal von Muttermilch und der Geburt ab.) Lasst sie einfach machen. Diese kleinen Racker sind ziemlich robust, die werden das überleben.

Keine Sorge! 😉

Autor: steffen

Lebt. Liebt. Streitet.

22 Kommentare

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