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medienkompetenz und werte – meine #denkst18 in nürnberg

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samstag, der 29. september – die #denkst in nürnberg findet zum dritten mal statt. im zentrum der konferenz zur nachhaltigen vernetzung für bloggende stehen diesmal „werte“ und die medienkompetenz. zwei themen, zu denen ich im vorfeld einiges an eigener meinung, aber wenig austausch hatte.

als ich 2013 anfing, konferenzen mit gesellschaftlichem themenbezug zu besuchen, war ich auf und nach den veranstaltungen meist tagelang sehr inspiriert und meinte, mich allen mitteilen zu müssen. möglichst viele menschen kennenlernen, diskurse zum gesetzten thema lostreten oder weiterführen, das empfand ich als spannend und inspirierend. und jedesmal packte mich nach den konferenzen der blues, weil der enthusiasmus sich nicht auf den alltag(tm) übertragen ließ.

weniger ist manchmal mehr

dieses jahr ging ich genau noch zur #denkst – aus mehreren gründen. zum einen sind konferenzen für mich ein ort des offenen austauschs über gesellschaftlich relevante themen, die nicht zielgruppenspezifisch festgelegt sind. zum anderen steht für mich der austausch zwischen menschen im vordergrund, die möglichst divers sind und damit eine vielfalt und ein breites spektrum ermöglichen. und zu guter letzt verstehe ich konferenzen nicht als gewinngeschäft für agenturen, die sich darauf spezialisiert haben – oder die mit anderthalb augen auf finanzkräftige sponsoren schielen, wirtschaftliche fokussierung mitbringen oder wie die re:publica sich selbst gar als businesskonferenz verstehen.

anja, sven und susanne, die initiator*innen der #denkst18

die diesjährige #denkst war entsprechend den rückmeldungen zum letzten jahr umstrukturiert worden – mehr pausen zur vernetzung und zum austausch waren berücksichtigt. die parallelität der workshops am nachmittag vom vorjahr war immer noch da, allerdings fanden sie doppelt statt: damit war ein wechsel möglich.

werte und ihr rahmen

anna yona mit einem impulsvortrag zum thema werte

anna yona begann die veranstaltung mit einem vortrag zu werten und ihrer stellung beim aufbau einer unternehmung – naheliegenderweise ihres eigenen unternehmens. die story war einprägsam und nachvollziehbar: die eigenen kids wuchsen quasi ausschließlich barfuß in isreal auf, und nach dem umzug nach deutschland fand sich kein für die kids akzeptables schuhwerk – also entwarfen sie selbst welches. in dem maße, wie die anzahl der beschäftigten wuchs, standen die fragen nach zu lebenden werten im raum:

  • nach welchen kriterien stelle ich menschen ein?
  • wie sieht’s mit der vereinbarkeit aus?
  • welche materialien will ich nutzen?
  • wo sind mögliche produktionsstandorte?
  • wie gehe ich mit lieferantenpartnerfirmen um?

menschen in teilzeit, natürlich auch in führungspositionen, meist von zuhause aus arbeitend, um ein maximales maß an flexibilität zu ermöglichen? check. natürliche materialien statt kunststoffe, weil die maximierung des gewinns bzw. die minimierung der produktionskosten nicht das oberste gebot ist? check. exklusive produktion durch einen festen partner in europa mit zugesicherten abnahmemengen und einer transparenz in der lieferkette? check.

für mich war es erhellend zu erfahren, dass es auch in einer unternehmung mit 20+ mitarbeitenden notwendig wird, sich auf eine gemeinsame vision zu verständigen und fortwährend darüber im austausch zu bleiben, wie diese gelebt werden kann. nur eine frage blieb bis heute offen:

werte konkret: was ist ein wert?

nach einer pause ging es weiter mit einer podiumsdiskussion zu „werten“ an sich. ob der zusammensetzung war ich leicht skeptisch: ein homogen weißes, weibliches podium mit einschlägiger erfahrung im bloggen.

podiumsdiskussion mit fünf bloggerinnen über wertvolles bloggen

bereits in der vorstellungsrunde warf sophie lüttich die frage auf, warum das panel so einseitig besetzt sei und lud spontan zum aufbrechen des rahmens ein. und kurz flammte auch die aussage auf, dass werte sich ja auch ständig ändern. leider driftete die runde schnell in die konkrete bewertung von inhalten einzelner blogbeiträge ab. ich hätte mir an der stelle lieber einen austausch darüber gewünscht, wann werte durch was zur disposition gestellt werden und welche einflüsse bei dieser regelmäßigen neuerörterung unterrepräsentiert sind.

das schließlich das „fünfhundertste marmorkuchenrezept“ als wertarm im nebensatz landete und die konzentration auf die wünsche der lesenden zu erfolgen habe, zog erwartungsgemäß die altbekannte diskussion auf die bühne: wie viel wirtschaftliche notwendigkeit steht hinter dem bloggen? und kann ein persönlicher kontakt durch einen vermeintlich banalen, subjektiven text nicht ebenso wertvoll sein wie ein pfiffig verfasster beitrag, der die interaktions- und zugriffszahlen des blogs für die kooperationsindustrie attraktiv macht? es kommt eben auf die perspektive an.

medienkompetenz – was kann das?

nach der etwas längeren mittagspause – die dazu reichte, sowohl dem auf der konferenz kompetent betreuten nachwuchs (explizites danke an die orga und die betreuenden! die kids fanden euch und den tag super.) als auch sich selbst etwas zu essen zu besorgen, ging es weiter mit den workshops – ich entschied mich dafür, den am vormittag durch daniel wolff angerissenen problemrahmen (gefahren durch medien für kids) mit konstruktiven inhalten füllen zu wollen.

daniel wolff zum umgang mit digitalen medien, schwerpunkt: smartphone

einen ersten brauchbaren ansatz, den ich mitnehmen konnte, war: ein perspektivwechsel. warum eltern ihrem nachwuchs ein smartphone geben, erschließt sich vielen: sie sind damit erreich- und gegebenenfalls auch kontrollierbar. was aber wollen kids damit machen?

die gesammelten erfahrungen aus seiner arbeit als kompetenztrainer an schulen wuchsen und wuchsen weiter, gefahr um gefahr wurde zitiert, pornos, mobbing, chat-funktionen in spielen, instagram und die reduktion auf vergleiche von like-zahlen. doch der zeitrahmen für die konstruktiven bestandteile des workshops schrumpfte schlussendlich auf null zusammen, so dass die „tipps“, die sich die anwesenden gegenseitig geben sollten, als schriftliche hausaufgabe on top kam, aber keinen platz mehr für diskussionen bot.

zweiter versuch: medienkompetenz. kann das was?

der zweite durchlauf des workshops nach einer gut bemessenen pause war anders als der erste konzipiert – also blieb ich im raum, um meiner hoffnung auf konstruktives zum thema medienkompetenz nahrung zu geben. doch statt eines schwerpunkts auf konstruktive lösungsansätze waren die gefahrenschwerpunkte anders betont. deswegen stellte ich fragen in den raum, an deren beantwortung ich mich nachfolgend selbst versuchen möchte. und ich möchte alle lesenden einladen, ihre einstellung dazu zu äußern.

  1. ist der beständige versuch von eltern (oder genereller: bezugspersonen), den nachwuchs im mediengebrauch zu kontrollieren oder einzuschränken nicht eher kontraproduktiv und ein ewigliches katz-und-maus-spiel?
  2. was vermittele ich dem nachwuchs, wenn ich meine, es für ihn besser zu wissen?
  3. was hilft, wenn mobbing, pornos, abwegig genutzte spielechats oder gewaltverherrlichung im raum stehen?

ganz ehrlich: ich halte es für ziemlich sinnlos, enorme energien in kontroll- oder einschränkungsmechanismen zu stecken. die heimischen wlan-beschränkungen werden im nächsten freien hotspot in der city oder bei einer schulfreundschaft mit weniger versierten eltern umgangen. und zur not werden die beschränkungen des eigenen geräts eben damit umgangen, dass der porno auf dem handy des kumpels läuft. gleiches gilt für spiele oder chats.

das wesentliche, was ich als botschaft transportiere, wenn ich zur maximierten regeln greife, ist: ich zeige meine dominanz. welche absicht mich dazu bringt, ist mir vielleicht klar, kommt aber beim nachwuchs kaum an. zwei sachen kommen dagegen sehr wohl an: wer dominant ist, kann andere zu dingen bewegen, die sie möglicherweise so nicht wollen. das ist macht und weckt die begehrlichkeit, es entweder an anderen auf die gleiche art auszulassen oder sich zu rächen. in beiden fällen fördere ich damit genau das verhalten, was durch eine gesenkte hemmschwelle bei der nutzung digitaler medien potenziert – hemmungslosem mobbing ist der boden bereitet.

wie wär’s stattdessen damit: statt die nutzung exzessiv zu kontrollieren, mal wertungsarm neugierde – auf augenhöhe – was denn der nachwuchs damit so macht? mal selbst darüber erzählen, was es mit mir als erwachsenem macht, wenn ein beitrag viel resonanz erfährt (sei es nun ein blogbeitrag oder ein foto auf insta)?

oder mit den anfangend pubertierenden offen darüber zu diskutieren, was _sie_ denn glauben, wodurch sich die social media firmen denn finanzieren? ein bisschen beschäftigung mit der materie kann da nicht schaden: sei es mit jaron lanier oder james bridle, die beide etwas zu mechanismen und deren auswirkungen schrieben.

ein dritter vorschlag: schon früh zu sensibilisieren, was so alles fehlt, wenn man sich „nur digital“ unterhält. die kleinen gesten, die blicke, die stimmlagen, der gesichtsausdruck in der unmittelbaren reaktion auf etwas wahrgenommenes. und klarheit: im gegensatz zu geschriebenen briefchen ist alles digital versendete – text, bild, stimme, video – potenziell für immer und alle menschen digital verfügbar. egal, wie sie dir gegenüber gesinnt sind.

sie machen ja sowieso alles anders

schlussendlich bleibt mir eine hoffnung: für die jetzt aufwachsenden generationen sind digitale kommunikationsmittel – ebenso wie ihre missbräuchlichen anwendungen – teil ihres gelebten alltags. und unter umständen entwickeln sie einen entspannteren umgang damit, als ich es für möglich halte. ich entspannte am abschluss des abends auf meine eigene weise: nonverbal und sehr persönlich.

platt nach einem denkstwürdigen tag: streicheleinheiten welcome.

und ich freu mich darauf: etwas vom nachwuchs lernen zu können. zum beispiel die tanzmoves unter laternen im spiel fortnite, das ähnlich der spiele der „tribute von panem“ mit einer kleiner werdenden arena daherkommt, in der sich alle gegenseitig töten sollen…

von einem neunjährigen kind.

 

Autor: steffen

Lebt. Liebt. Streitet.

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