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Medienkompetenz

Neulich schaffen es Trigger vermehrt, mich in ihren Bann zu ziehen. So zuletzt geschehen bei der von Dorothea Bär initiierten Wunschliste für die Koalitionsverhandlungen mit dem Schwerpunkt „Neuland“.

Von vorn.

Vor einiger Zeit erfuhr ich vom Verbot von Facebook für Lehrer in Baden-Württemberg. Das sollte wohl zum Schutz der Schüler – und Lehrer – geschehen. Distanz aufrecht erhalten, Wahrung von Privatsphäre und so. Das ist herzlich akademisch gedacht und mindestens ebenso herzlich an den Lebenswirklichkeiten vorbei. Gleich mehr dazu (erstmal mag ich den Trigger noch in seiner ganzen Schönheit zusammenbauen).

Auf der Fahrt zu einer Konferenz in Frankfurt fielen mir die gesammelten Totholzwerke in der ersten Wagenklasse – und das fehlende WLAN – auf. Bei der Bahn regte ich an, doch die digitalen Ausgaben ebenso kostenfrei anzubieten, wäre ja für alle effizienter und resourcenschonender. Die Antwort und die Nichtreaktion auf meinen Einwand zeigen, dass es auch beim Twitterteam der Bahn noch Kunden für Angelas Neuland gibt.

Auf der Fahrt schließlich rutschte mir zuerst Mathias Schindler in die TL, man möge doch dem Tag #UADA folgen. Das sagte mir zu dem Zeitpunkt noch nix, aber kurz danach rutschte mir zusehends mehr davon ins Blickfeld. Nachdem @thodenk die Aufstellung der Teams für die Koalitionsverhandlungen leakte, und die beim Pelzig noch vor Kurzem vom Barwasserschen und Sina Trinkwalder arg gewatschten Doro Bär nach Vorschlägen fragte, war mein Trigger fast komplett.

Fehlte nur noch ein unglaublich resistenter Herr (Name der Red. bekannt), der unermüdlich vergeblich sein Phone mit dem MacBook Air zu verheiraten versuchte – unter Windows 8. Und der schließlich den ungesperrten Rechner für eine ausgiebige Pause stehen ließ.
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Als ich schließlich eben diesen Beitrag einer Berliner Lehrerin in der ZEIT las, beschloss ich, meine 2 Cent in die Waagschale zu werfen – hier sind meine Gedanken zum Thema

Medienkompetenz.

Es ist wie eingangs erwähnt lebensfern, Facebook in der Schule verbieten zu wollen. Anstatt Schülern und Lehrern zu verbieten, sich mit sozialen Pattformen zu beschäftigen, sollten sie darin geschult werden, wie sie sich in diesem Medien bewegen. Was es heißt, dort Daten zu veröffentlichen. Was es bedeutet, wenn über Whatsapp Intima ausgetauscht werden. Was es bedeutet, auf Instagram oder Tumblr Bilder von sich zu posten.

Es geht nicht nur darum, die Inhalte aktiv und passiv verantwortungsvoll zu nutzen. Zu wissen, was mit den Daten geschieht, die „mal eben“ geteilt werden. Es geht nicht nur darum, zu lernen, wie eine Tageszeitung (gleich in welcher Form) gelesen werden kann, was Journalisten und Blogger unterscheidet oder verbindet. Es geht nicht nur darum, zu lernen, verschiedene Standpunkte einnehmen zu können. Es geht nicht nur darum, wie mensch in der vernetzten Gesellschaft Wissen nutzt und aufbaut.

Es geht auch um die Proprietät der Anwendungen, die geschlossenen Plattformen, die sich davonschleichende Neutralität von Diensten und Services im Internet. Sie erfordern ein Verständnis auf der Metaebene der Kommunikation. Es geht auch darum zu verstehen, was Medien erreichen wollen. Es geht darum zu hinterfragen, wie die Medienlandschaft funktioniert.

Was unterscheidet denn die digitale Ausgabe der Süddeutschen von deren Internetseite? Was heißt Verantwortung im Umgang mit sensiblen Daten auf unseren tragbaren Geräten? Was genau ist die Vision eines Marc Zuckerberg, un ab welchem Punkt ist mensch womöglich nicht mehr konform mit diesen Vorstellungen? Welche Schlüsse kann mensch daraus ziehen? Von welcher Bedeutung ist für mehrheitlich alte weiße Herren ein so umfassendes „Neuland“, dass sie es als Subkategorie unter die „Kultur“ in die Koalitionsverhandlungen einsortieren? Wie wenig Bewusstsein existiert für ein Medium, das inzwischen ein integraler Bestandteil des Persönlichkeitsprofils junger Menschen ist? Warum sonst ist ein junger Mensch ohne ein „digitales Ich“, ohne Spuren im Netz, fast schon generalverdächtig? Warum fordern nicht nur von kommerziellen Interessen geleitete Geister, sondern auch jüngere Politiker ein grundlegendes Umdenken bei dem Begriff „Privatsphäre„?

Es gibt viele Fragen zu beantworten. Fragen, die die Medienkompetenz in diesem Land (aber nicht nur hier) betreffen. Dabei geht es nicht nur um die förderungswürdige Medienkompetenz, die ich mir für unsere Jugend wünsche. Es geht auch darum, die Medienkompetenz der mehrheitlich alten weißen Herren herzustellen. Denn deren Verständnis dafür ist die Basis, dass sie die richtigen Weichen überhaupt zu setzen vermögen.

Autor: steffen

Lebt. Liebt. Streitet.

5 Kommentare

  1. Pingback: Blogpflege oder: So linkgeizig kommen wir nicht mehr zusammen … | juna im netz

  2. Ja, aber was soll passieren, um dahin zu gelangen? Wie willst du die Schlechtrederei des Netzes durch den medial-politischen Komplex abstellen? Wer soll sich um Medien- und Netzpolitik kümmern? Wie willst du die Zerfaserung der Medien verhindern, in der absehbar nur noch Grüppchen um sich selbst kreisen? Woher sollen die gelder für die Grundlage – die notwendige Bildung – kommen? Und, und, und …

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    • Dank dir für deinen Kommentar!
      Nachdem ich eine mögliche Eingrenzung des WAS formuliert und in Fragestellung aufgeworfen habe, hast du den nächsten Schritt getan – die Fragen des WIE aufgeworfen. Mir geht es tatsäclich weniger darum, den Politikern ihren Job abzunehmen oder eine Vorlage zu liefern, wie sie es umsetzen sollten. In der Tat erwarte ich Gestaltungsvorschläge aus der Koalitionsuntergruppe – um dann konstruktive Kritik im gesetzten Rahmen deiner und meiner Fragen zu äußern.
      Und unabhängig davon mag ich noch kurz auf deine Fragen eingehen:
      Schlechtrederei: Es gilt nach wie vor, das Netz als Medium in dem, was es für Jugendliche darstellt, der Elterngeneration vorzustellen. Das funktioniert meiner Erfahrung nach am besten, wenn die „Wisser“ sich aus ihrer Bubble herausbewegen und ihre jeweils Nächsten dort abholen, wo sie sind. Ihnen auf den verschiedenen Ebenen des Netzes (technische Grundlagen, Strukturen, Dienste – und deren Verquickungen miteinander) näherzubringen und zu ermuntern, die für sie entstehenden Vorteile zu nutzen. Je mehr kritische Fragen beantwortet werden, desto besser. Und ihre „Schüler dazu anhalten, ihre Erfahrungen in ihren Kreisen weiterzutragen.
      Kümmerer: Parteiübergreifend diejenigen einbinden und argumentativ stützen und stärken, die „Wisser“ sind. Das erfreuliche daran ist ihre vergleichsweise direkte Erreichbarkeit, da sie eben im Netz mehr oder weniger zuhause sind.
      Zerfaserung: Ich will sie gar nicht aufhalten. Jedes Medium hat seine Berechtigung, einige werden sich durchsetzen, einige bleiben, andere verschwinden. Die Kunst ist eher, die Verknüpfungen je nach Schwerpunkt zum gegebenen Zeitpunkt richtig zu setzen. Um mal auf ein Beispiel zu kommen: Der #Aufschrei hat nur deswegen die cross-mediale Aufmerksamkeit erhalten, weil die Handelnden die Verknüpfungen richtig gesetzt haben. Dass der Schwerpunkt der Diskussion je nach Medium anders gesetzt wurde und wird, liegt an der kapitalismus-orientierten Ausgangsbasis: Medien müssen sich verkaufen, und reißereische, einseitige, die Instinkte ansprechende Zuspitzungen erlangen eher Aufmerksamkeit. Was in der Konsequenz bedeutet, dass, wenn du ein Thema in seiner Komplexität oder seiner Abstraktion erhalten willst, musst du dir bewusst sein, den Don Quichote zu spielen.
      Gelder: Ich könnte die Kapitalismuskritik an dieser Stelle noch ausweiten, aber das spar ich mir besser für einen separaten Blogeintrag auf. 😉 Kurz: Streicht die zweifelhaften Subventionen (EEG-Befreiungen, Atommüllentsorgung auf Staatskosten, Agrarsubventionen für Riesenkonzerne statt kleiner Innovationstreiber, etc.) und investiert stattdessen in die Bildung. Schult die Lehrer vernünftig, auf dass die Kindern das Lernen lernen, nicht Fakten pauken. Wir haben nicht mehr Bismarcks Zeiten.

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  3. Späte Einmischung mit aktuellem Beispiel, um Deine (Eure) Ausführungen zu stützen: Auf unserer letzten Elternbeiratssitzung vergangene Woche wurden die Eltern darüber informiert, dass es in einer der höheren Klassen zu „Vorfällen“ des „Medienmissbrauchs“ gekommen sei. Weil SchülerInnen mit dem Smartphone Fotos von LehrerInnen in unvorteilhafter Position machten und im Netz teilten (vermutlich bei facebook, aber bereits das wusste irgendwie niemand), ist jetzt der Gebrauch von Smartphones während der Schulzeit pauschal verboten worden. Das fanden alle Anwesenden nachvollziehbar. Bis der einzige netzaffine anwesende Erwachsene einwarf, ob sich denn keiner mit den Kindern über einen solchen, naja, Einsatz von Smartphones und Web-Anwendungen unterhalten hätte. Persönlichkeitsrechte und so. Vielleicht ein paar Regeln im Umgang mit Smartphones und Tablets während der Unterrichtszeit. Basale Medienkompetenz.
    Nö. Hatte niemand.
    Das macht, denke ich, noch einmal deutlich, wie nötig Investitionen in diesem Bereich sind und wie dringend LehrerInnen und Eltern geschult und informiert werden müssen, wenn bereits so grundlegende Dinge im Schulalltag nicht einmal angesprochen werden können, weil die Erwachsenen schlicht keinen Plan haben. Also, auch von mir: Volle Zustimmung.

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