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KiTa oder nicht KiTa? Eine Replik.

Der dünne Faden verläuft quer durch Prägung, Auffassung, Überzeugung und die Seele. Und der gehasste kleine Zwerg mit dem Namen Zweifel nagt an mir. Verweigere ich das rationale Ende meines Ichs, hält er sich am anderen Ende schädlich.

Die Fakten

Seit knapp einem dreiviertel Jahr besucht das Fleischbärchen die KiTa. Einen Monat nach der Geburt ihres kleinen Bruders übernahm ich die Eingewöhnung, nervöser als ich vermutet hätte.

Ich hatte die Erwartungshaltung der Akzeptanz seitens der Tochter, nutzte diese als Maßstab für meine Reaktionen ihr und ihrem Verhalten gegenüber.
Und ich muss mir eingestehen: Ich bin an dieser Erwartungshaltung gescheitert. Posthum verwundert mich das nicht einmal mehr.

Als Kind des Ostens, sich als Teil eines Systems verstehend, nicht primär als Individuum, bin ich aufgewachsen. Natürlich gehörte die Unterbringung in Krippe und Kindergarten dazu. Wer erwachsen war und arbeiten konnte, ging arbeiten. In logischer Konsequenz wurden demnach die Kinder betreut. Der Staat sorgte dafür.

Kontakt zu Gleichaltrigen, die eine von unserem Kind differente Erziehung genießen? Gibt es standardmäßig in der KiTa.

Entlastung für die Holde, die Kleinkind, Haushalt, Garten und einen Teil des Tages mit der Großen – wahlweise den Morgen oder den Abend – allein bewältigen muss? Gibt es, durch die KiTa.

Die Bewährung in einer heterogenen Gruppe, das Ausleben von Konflikten, eine professionelle pädagogische Betreuung? Ihr ahnt es, genau.

Norm versus Realität

Ich wollte sehen, dass sich das Kind mit der Situation arrangiert. Dass es die offensichtlichen Vorteile akzeptiert, die Situation entsprechend meiner Erwartungshaltung auslebt.

Allein, Realität ist, was passiert. Und dieser kleine, charakterfeste, willensstarke, dickköpfige Nachwuchs rebelliert gegen diese Norm. Trennungsschmerzen über Wochen nach dem Urlaub, nach Tagen, in der eine Praktikantin der Gruppe beiwohnte, nach Krankheitspausen. Sie will einfach nicht in die KiTa. Da wird der Weggang ihrer Hauptbezugsperson in der KiTa in diesem Jahr ebenso wenig förderlich sein wie der Gruppenwechsel im darauffolgenden Jahr.

Was sind unsere Optionen?

Die Alternativen

Ändern wir nichts an der Situation, wird sich das Kind früher oder später seinem Schicksal beugen. Es wird nicht verstehen, woher unsere von ihm empfundene Kaltherzigkeit kommt, es Tag für Tag wieder einer Situation auszusetzen, die es nicht will. Früher oder später wird sein Wille brechen.

Und damit bräche mein Herz.

Lassen wir das Kind zuhause, würde die Holde tagtäglich mit beiden plus Haushalt und Garten klarkommen müssen. Keine Rückkehr in den geliebten Beruf, obschon die Situation im Betrieb – bei wem nicht? – entspannter sein könnte. Schon mit einem Kind eine Herausforderung, würde sie früher oder später mit Zweien an der Situation zerbrechen.

Und damit bräche mein Herz.

Die Konsequenzen

Es bleibt nicht mehr viel. Keine KiTa ist die erste Konsequenz. Ein vorgezogener Wechsel in die Elementargruppe dieses Jahr wäre eine Option, aber das ist kaum die Lösung für das Unverständnis, warum Nummer Eins, Zwei und Drei nicht den fortwährenden Kontakt wollen. Ein Versuch vielleicht, aber ohne Überzeugung meinerseits.

Folglich bedarf es, um Alternative zwei zu verhindern, einer alternativen Betreuungsform, stundenweise, eventuell begleitet, mit einer Rückzugsmöglichkeit für die Holde. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Ohne großes Netzwerk vor Ort, als Zugezogene, ist eine Organisation im Bekanntenkreis nicht drin; die Großeltern wohnen hunderte Kilometer entfernt. Vielleicht ziehen meine Eltern in die Nähe, aber das kann dauern.

Lose-Lose

Egal, für was wir uns entscheiden: Ein Teil von mir bleibt auf der Strecke. Ich bin gewiss kein Freund von Normativitäten, und doch, ich bin nicht frei von ihnen. Ja, allein dieses Gefühl wurmt mich, weil es nicht meinen Überzeugungen entspricht. Und trotzdem sitzt die Prägung tief.

Jeden Tag eher, den ich das Kind aus der KiTa nehme, ist ein Tag mehr, den ich der Holden aufbürde. Egal wem, ich füge denen, die ich liebe, Schmerzen zu.

Es bleibt mir nur übrig, damit zu leben.

(Die Finanzen sind ein Aspekt der Gleichung, aber ein im Vergleich zu den möglichen seelischen Schäden derart unwesentlicher, dass ich darauf noch nicht mal einzugehen gedenke. Daher fehlt er auch bei obiger Abwägung komplett. Es sind meine Liebsten, verdammt nochmal, also wenn das irgendwie abbildbar ist, nehm ich die finanziellen Konsequenzen dafür in Kauf. Prioritäten und so, ihr versteht das sicher.)

Update: Kaum, dass ich den Artikel heute veröffentlicht hatte, meldeten sich meine Eltern, dass sich ein Käufer für ihr Haus gefunden hat. Nach mehr als einem halben Jahr, dass sich kein ernsthafter Interessent fand.
Sobald der Deal in Sack und Tüten ist, kann der Umzug beginnen, und es ergeben sich neue Möglichkeiten. <3

tl;dr: Das Schicksal findet immer einen Weg.

Autor: steffen

Lebt. Liebt. Streitet.

36 Kommentare

    • Und per DMs fügte sie folgendes hinzu, da direktes Kommentieren auf dem Blog nicht klappte:

      „Ich habe gestern gelesen was Du schriebst… Eine Sache dazu wollte ich gerne sagen. Die KITA. Ein Kind MUSS NICHT in eine KITA, um soziales Verhalten zu lernen! Meins ist auch keiner gewesen. Mein Hausarzt hat 8 eigene Kinder groß gezogen und sagte mir:“sozialen Umgang lernt ein Kind im Umgang mit uns und anderen Kindern im alltäglichen.“ Mein Sohn ist sehr sozial, geht auf andere Kinder fröhlich und offen zu. Er hilft und erklärt die Welt den Kleineren und er spielt mit allen die gerade da sind. Wenn für Dein Kind der Abschied jedesmal so schwer ist, dann überlege, ob Du das wirklich von Herzen auch WILLST. Ich bin das Kind einer Vollzeit berufstätigen Mutter. Ich war zwar in keiner KITA aber an die tränenreichen Abschiede, wenn sie ins Geschäft ging, erinnere ich nicht heute noch schmerzvoll. Es gab einen Bruch zwischen uns der nie wieder heilte. Ich war bei meiner Oma, hatte 2 ältere Geschwister und einen besten Freund der jeden Tag da war, aber dieser Bruch der jedesmal entstand, wenn sie ging, und ich nicht wollte, dass sie geht, der hat viele Spuren hinterlassen. Und immer die Frage:’Warum bin ich ihr nicht wichtig genug, dass sie bei mir bleibt.‘ Da deine Frau ja mit dem kleineren Kind eh zu Hause ist, wird sich Deine Tochter vielleicht unterbewusst innerlich fragen, warum er bei der Mami sein darf, sie aber nicht… Wenn sie also viel weint und die Trennung nicht möchte, und es DIR auch das Herz zerreißt, dann lasse das mit der KITA! Soziales Verhalten lernt sie auch mit ihrem Bruder, mit Euch und mit anderen. Aber den Trennungsschmerz, der dem gegenüber steht, de ist nie vergessen. Egal wie alt sie wird. DAS wird sie innerlich immer erinnern. Aber macht es, wie Ihr es als richtig empfindet. Ich schreibe das nur, falls Du Dich zwingst aus einem Grund, der gar keiner ist.

      Ich bin ja eine der wenigen, die als Kind solche Trennungen erlebte und heute erwachsen ist. Früher war es unüblich als Mutter arbeiten zu gehen. Das kam erst später… ich bin 48. Alle anderen Mütter waren damals zu Hause. Meine Mutter entschied sich für ein eigenes Geschäft, als ich 2,5 Jahre alt war. Das war hart. Darum mache ich es heute anders. Aber ich erfahre viel Kritik dafür von all denen, die ihre Kinder abgeben… Verdrehte Welt.
      Wir hatten einen Haushaltshilfe damals als mein Sohn klein war und der Umzug in das große Haus und das Stillen … Ich habe ihn lange voll gestillt, das bedeutet wenig Freiraum! Dazu ein Haus von 340qm, meine damals 9-jährige Hündin und ein riesiger Umzug… – dann hat mein Mann eine Annonce aufgegeben: Gesucht: Haushaltshilfe die mit Kindern und Hunden klar kommt, auch mal kocht… Die Dame kam damals Mo-Fr von 10:00-16:00. Dann später an 3 Tagen von 10:30-14:00. Und heute an 2 Tagen von 14:00-16:00. Sie ist seit 5 Jahren bei uns. Wenn Du suchst, findest Du jemand, den Du lange bei Dir haben kannst. Oder ein AuPair. Meine Freundin ist alleinerziehend mit Zwillingen. Sie hatte ein AuPair. Auch das geht. Entlaste Deine Frau, so dass sie sich um beide Kinder kümmern kann! Meine Nachbarin hat 2 Kinder und eine Putzhilfe die 3x in der Woche kommt und in Haus und Garten hilft.
      Suche jemanden, der Euch im Haus hilft, mal ein Kind bespielt, vielleicht mal kocht oder einkaufen gehen kann. Es ist ja nur bis sie in die Schule kommen und ich finde, man sollte diese Zeit MIT seinem Kind nutzen! Zudem sieht Eure Tochter, dass sie weg muss, während der Sohn bei der Mami bleiben darf. Das sollte nicht sein. Da entstehen vielleicht falsche innere Beobachtungen bei ihr… – sie ist ein Kleinkind, sie beobachtet anders, einfacher… Vielleicht glaubt sie, sie muss gehen, weil ER dazu kam… unterbewusst… Oder bewusst… ?!
      Versuche einfach eine Hilfe für Deine Frau zu finden… – so dass sie alles schaffen kann! Ob man zurück in den Beruf kann…das sollte man eh immer in Frage stellen, sobald man Mutter wird… – davon auszugehen, dass das immer klappt, kann man ja nie… Ich wählte schon in der Schule einen Beruf, der es mir ermöglicht – im Fall der Fälle – von zu Hause aus zu arbeiten. Aber selbst DAS klappt nicht, wenn man voll stillt und voll für sein Kind DA sein will, wie ich es wollte… Es kommt wie es kommt! Aber unsere Kinder sind das wichtigste.“

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  1. Ich kämpfe in unserer Kita gerade um eine sanfte Ablösung. Das ist etwas, was denen genau wie unsere grundsätzlich gleichwürdige Haltung unserer Tochter gegenüber, fremd ist. Da herrscht immer noch die Meinung, es wäre für das Kind leichter, wenn man einfach geht.
    Ich bestehe aber darauf, dass sie dort erst eine belastbare Bindung hat und gehe nur, wenn sie es ok findet. Das ist leider nicht einfach, aber anders werde ich es nicht machen. Und im Hinterkopf habe ich ähnliche Gedanken: Wenn es nicht klappt, bin ich demnächst mit zwei Kindern allein zuhause und Haus und … Du weißt schon.
    Außerdem haben die dort sonst einen wirklich schönen Umgang miteinander, es sind max. 20 Kinder und vormittags meist vier Erzieherinnen. Auch wenn sie mir zu erziehend sind, finde ich die Kita gut – solange Tochterkind da gern hingeht 😉
    Wir überlegen auch schon, welche Alternativen es gäbe, wie z. B. stundenweise eine Tagesmutter/einen Babysitter zur Entlastung und evtl. meine Schwiegermutter für einen Nachmittag in der Woche. Aber noch hoffe ich, dass es mit der Kita klappt.

    Ich hoffe, bei euch können die Großeltern einspringen und ihr könnt dann endlich alle aufatmen!! Ich drücke die Daumen.
    Liebe Grüße
    Julia

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    • Liebe Julia,

      danke für deinen Kommentar. Unsere KiTa handhabt widerstrebende Kinder so, dass sich die ErzieherInnen (ja, die KiTa hat sogar einen Erzieher!) des Kindes annehmen, um dann relativ schnell die Verabschiedung von den Eltern – auch unter Tränen – forcieren. Das Ganze vor dem Hintergrund, dass sonst die anderen Kinder über Gebühr von diesem Trennungsschmerz mitbekommen.
      Was ich als verständlich für die anderen Kinder empfinde, sehe ich als ebenso ‚grausam‘ für meines an. Wir hatten bis jetzt noch nicht einen Tag – nicht einen – an dem das Kind meinte, es freu sich auf die KiTa oder wolle wieder dahin. „Morgen muss is niss in den Kindergarten, ja?“ ist dagegen ein stehender Begriff bei uns.
      Ich bin gespannt, was das Elterngespräch morgen bringt und werd auf jeden Fall noch ein zweites Update hinterherschieben. Parallel dazu hat die Suche begonnen – nach Wohnungen für meine Eltern und eine stundenweise Tagesbetreuungsmöglichkeit…

      Liebe Grüße,
      Steffen

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  2. Endlich komme ich dazu Deinen Post zu lesen und ein paar Gedanken dazu zu hinterlassen.

    Ich bin sehr beeindruckt wie intensiv Du Dich mit dem Thema auseinandersetzt und wie vielschichtig Deine Gedanken dazu sind – nicht nur zum Wohl des Kindes, sondern Euch aller. Nicht, dass Männer nicht mitdenken und sich Gedanken machen (das tuen sie sehr wohl). Ich kenne diese Gewissensbisse und Sorgen sonst nur aus Sicht anderer Mütter.

    Habt Ihr denn mal mit den Erziehern gesprochen oder Euch über der Kita hinaus mit anderen Familien getroffen? Besteht die ablehnende Haltung denn kontinuierlich oder nur, wenn Du oder Deine Frau anwesend seid?

    Ich wünsche Euch auf jeden Fall alles Gute und vor allem, dass Oma und Opa bald endlich zu Euch ziehen. Solche Großeltern fehlen uns leider auch.

    Liebe Grüße
    Katharina

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    • Den Termin in der KiTa haben wir heute, und ja, wir haben uns auch mit Bekannten ausgetauscht.
      Naturgemäß ist die Großelterngeneration rigider auf dem Kurs „Da müssen halt alle Kinder durch, macht euch nicht so einen Kopf!“, Freunde sehen das differenzierter – und leben es je nach beruflicher Einbindung und finanzieller Erforderlichkeit anders.

      Was die Gewissensbisse angeht: Ich denke, dass ein Großteil der empathiebefähigten Vätergemeinschaft bei gleicher Gemengelage ähnlich empfinden würde – nur bloggen die vielleicht nicht alle. Oder schreiben es dann trotzdem nicht auf, aus den verschiedensten Gründen. Oder, oder, oder… 😉

      Danke für deinen Kommentar! 🙂

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  3. Puh, die Situation kann ich gut nachvollziehen. Uns war lange vor der Geburt klar, unser Kind geht mit einem Jahr zur Tagesmutter. Und haben eine ganz tolle ausgesucht. Nach ein paar Tagen Eingewöhnung hat sich aber gezeigt, dass es für unser Kind nicht das Richtige war. Also haben wir alles komplett umorganisiert. Mein Mann Arbeitszeiten reduziert/ Homeoffice beantragt…und wir hatten dann eine Studentin als Babysitterin. Sie kam, so oft wie wir es uns leisten konnten. Mindestens an 2 Nachmittagen. Aber auch oft, wenn es bei uns gebrannt hat. Ja, dieses Modell war für uns als Eltern deutlich anstrengender. Persönlichen Freiraum hatten wir dadurch wesentlich weniger. Aber auch ein ausgeglichenes Kind. Es gibt also Wege jenseits des standartisierten Kita-Besuchs.Aber auch zu seinem Preis…ich wünsche euch sehr, dass es mit den Großeltern klappt. Und vielleicht findet ihr ja auch so eine tolle Kati-Babysitterin, wie wir eine hatten.

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    • Die Suche nach Alternativen hat – für alle Eventualitäten – auf jeden Fall schon begonnen. Unabhängig des Gesprächsergebnisses in der KiTa heute abend.
      Danke, dass du so differenziert über das Für und Wider der Alternative berichtest. Das macht – ehrlich gesagt – Mut, einen ähnlichen Weg zu gehen.

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  4. Meine Tochter (4 mit DS) ist mit 2 in den Kindergarten gekommen. Leider ist der Kindergarten nicht das Richtige für mein Kind.

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