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Eingewöhnung, die 2te: Donnerstag

Mit jedem Tag wird das Aufstehen schwerer. Nicht weil es früher wär oder weil ich es nicht gewohnt bin. Irgendwie zementiert jeder neue Tag diesen Wandel im Familienleben deutlicher. Die Kinder verkraften es bisher vergleichsweise gut; das größte Problem an der Eingewöhnung?

Bin ich.

Man sieht es mir nicht direkt an. Der gestrige Tag war vollgestopft mit Aktivitäten, ich hab im Haushalt viel erledigt bekommen, die Kinder abends trotz der Aufregung des Tages problemlos allein ins Bett bringen können. Ich konnte sogar den Abend danach genießen.

Chaos deluxe

Heute morgen dann startete der Tag chaotisch. Noch gestern verabschiedete ich mich mit folgenden Worten:

Tja. Heute morgen hörte die zwei gestellten Wecker noch genau eine danach hinreichend wache Person: Der kleine Mann, der daraufhin anfing, mich in Dauerpositionswechsel zu bekuscheln, bis ich irgendwann entnervt auf die Uhr schaute, was für eine hahnebüchene Zeit er sich dafür auserkoren hatte.

07:22 Uhr.

Scheiße. Bei geplanter Abfahrt zehn vor Acht war das nahezu unmöglich, noch rechtzeitig zu sein. Zumal ich des Nachtens der großen Schwester, die sich um 23:05, 01:37 und 03:50 Uhr meldete, beim letzten Besuch versicherte, dass Mama sie am nächsten Morgen wachkuscheln würde. Wer Anne kennt, weiß, dass fixes Aufstehen alles andere als ihr Ding ist.

Dass wir trotzdem fünf vor Acht abreisefertig in den eiskalten Regen starteten, war ein kleines Wunder – inklusive finalisiertem Müslifrühstück für beide Kids.

Blues deluxe

In der KiTa angekommen, verabschiedet sich die große Schwester glücklich lächelnd in die Arme ihrer Betreuerin. Der kleine Mann strebt strahlend und zielgerichtet zu seinem Gruppenraum. Fast möchte ich sagen: Alles wie immer. Nur ich weiß bereits, dass ich heute vom Frühstück bis nach dem Essen nicht dabei sein werde. Es piekst tief drinnen. Durchatmen.

Er begrüßt mit gleichem Enthusiasmus wie am Vortag das Schaukelpferd, interagiert mit den anderen, als wäre es schon immer so gewesen und begibt sich zur Wickelzeit sogar freiwillig in den Wickelraum. Klettert von selbst die Treppe zum Wickeltisch rauf, der Protest wird mittels Schnullerablenkung sofort gestoppt, kein Weinen, stattdessen ein angeregter Dialog mit der Betreuerin über das Motiv auf dem Schnuller (er hat ihn nicht mal lange im Mund) – und sie wickelt ihn nebenbei selbst. Ich bin nur noch passiv dabei. Kein Vergleich zu Montag. Es piekst wieder. Durchatmen.

Er geht – wie alle anderen Kinder – zum Morgenkreisteppich, als er aufgerufen wird. Staunt die Kinder und Betreuerinnen an, als gesungen wird. Steuert zielstrebig auf den Frühstückstisch zu, als der Morgenkreis fertig ist.

Und dann ist es Zeit, Abschied zu nehmen. „Sag Tschüss!“, fordert ihn die Betreuerin auf, auf deren Arm er grad ist, er winkt mir zu, als wenn nichts wär. Es piekst ordentlich, da drinnen. Ich gehe auf ihn zu, drücke ihm einen Kuss auf die Stirn, und bemerke sofort, was ich da getan hab:

Sirene.

Ich wusste, dass er es spüren würde. Und das Problem bin ich. Gestern, als ich den Raum verließ, blieb ich im Gebäude, war entspannter. Er war es auch.

Ich verlasse den Raum. Scheiße, piekst das heftig. Durchatmen.

Auch er atmet durch. Nach einer knappen halben Minute kommt kein Geschrei mehr aus dem Raum. Ich verlasse mit hängenden Schultern das Gebäude, die Hose immer noch triefnass von der Hinfahrt. Warum nimmt mich das so mit?

Leere

Zuhause angekommen fühle ich mich elend. Ich sitze vorm Rechner, der mich leise ansäuselt. Kein Appetit, trotz fehlenden Frühstücks. Keine Motivation, die freie Zeit zu nutzen, om der häuslichen Entropie ein wenig entgegenzuwirken. Ich müsste duschen, trau mich aber nicht, weil ich dann so verzögert loskönnte – ohne Auto ist ‚mal eben hinfahren‘ mit nassen Haaren nicht drin.

Es wird bestimmt wieder besser. Morgen schon. Nächste Woche gewiss. Von Tag zu Tag. Jetzt erst mal durchatmen und nochmal durchatmen.

Und am Wochenende fahren wir in den Baumarkt und holen uns Holz, um ein Familienbett zu bauen.

Was wir tags nicht mehr an Nähe zueinander haben können, verlegen wir dann eben in die Nacht. Und wie gut das tatsächlich funktioniert, hat uns ein Urlaub bei Freunden kürzlich eindrucksvoll gezeigt.

Update: Das Telefon hat nicht geklingelt. Ich fahre schweren und leichten Herzens jetzt wieder zur KiTa. 🙁 🙂

Autor: steffen

Lebt. Liebt. Streitet.

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