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Premiere: Mein erstes Barcamp – Hamburg 2013

Was genau ist eigentlich ein Barcamp? Was für Leute treffen sich da? Was machen die da? Und wie ist das überhaupt, dabei zu sein, vielleicht sogar mitzumachen?

Letzteres erübrigt sich, wenn man erstmal begriffen hat, was ein Barcamp ausmacht – eben keine Frontalvorträge sondern ausschließlich „Mitmach-Runden“, in denen Diskussionen ausdrücklich erwünscht sind.

Ich war letztes Jahr zwar auf der re:publica, aber ob das hier ähnlich werden würde oder anders – wer weiß? Retroperspektiv gesehen steht und fällt das meiner Meinung nach mit den Leuten, die du treffen kannst.

Nach zarter Verspätung gerade noch rechtzeitig zur Sessionplanung ankommend ließ ich mich also zuerst davon beeindrucken, was die zuhauf Anwesenden so alles an Vorschlägen für die verschiedenen Sessions hatten, die sie kurz auf der Bühne vorstellten (Fachjargon: pitchen.). Per Handzeichen wurde das Interesse bekundet, und direkt danach ging mit dem/r nächsten weiter.

Session pitching Day 1 bchh13

Als eher schüchtern-startender Charakter war also das „Barcamp for Beginners“ genau der richtige Einstiegspunkt für mich, auch wenn ein weiterer Vorschlag bzgl. „autoerotischer Unfälle“ von einer Urologin ebenfalls reichlich ungewöhnlich und daher interessant klang.
Die Geschichte der Barcamps war interessant, und schnell stellte sich heraus, dass die Schüchternheit für Newbies was ziemlich normales angesichts der scheinbaren Tatsache ist, dass sich alle zu kennen scheinen (nur man selbst ist natürlich ein Inselchen). Fazit: Bloß keine Scheu, alles total easy, das gesamte Event ist zu Fragen da – und zwar egal wen. Irgendwer wird schon wen kennen, der wen kennt, die die Antwort weiß…

Nach kurzer Mittagspause im Azubikreis (schließlich war mein Arbeitgeber auch ein Sponsor der Veranstaltung und der Räumlichkeiten [PS: Danke, OTTO! <3]) ging es für mich weiter mit dem KrisenPRCamp, das unter anderem die Herausforderungen spezifisch für die SocialMedia-Kanäle in den Vordergrund stellte und auf die unterschiedlichen Möglichkeiten verschiedener Organisationsstrukturen einging. Fazit: Weder Marketing noch die Rechtsabteilung sind perfekt geeignete Reaktionsredakteure, wenn’s darum geht, dem Kunden auf Augenhöhe zu begegnen (egal auf welchem SocialMedia-Kanal).

Zwischendrin: Kaffee und Kuchen mit teils noch von der re:publica bekannten Gesichtern und einer ganz leicht im Vorbereitungstunnel befindlichen @Lestoire, die erst nach ihrer ersten Barcamp-Session mitschnitt, dass ich ich bin (wir hatten uns nämlich zum Kaffee verabredet).

Als nächstes ging’s auch gleich in die Session von ihr und Rene, in der es darum ging, wie sehr sich die Welt verändern kann, wenn man einfach mal nur gelegentlich freundlich ist. (Prominenter Gegenspieler aus dem Publikum war übrigens @mthie, der sich schlussendlich zu einer „Gegensession“ am nächsten Tag überreden ließ) These: Grüß doch einfach mal freundlich deine Bäckereifachverkaufskraft! (Gegenthese: Grüß doch einfach mal in der S-Bahn und versuch, dabei nichts als Psycho abgestempelt zu werden.) Fazit: Freundlich sein ist gut, Direktheit schadet auch nicht.

Gleich danach folgte für mich noch eine Session von Nina Diercks, die als namensgebender Teil von Dirks&Diercks (und ebenfalls Sponsor – danke!) sich – naheliegenderweise – über juristische Fallstricke im Social-Media-Bereich ausließ. Anhand der Kleinteiligkeit (Impressumspflicht auf Facebook-Seiten – und mobil, Äußerungen im Netz über Arbeitgeber oder dessen Angebote – und die unterschiedlichsten Urteile dazu) erschließt sich mir nicht, warum man sich derart verbiegen muss, um irgendwie Rechtskonformität (je nach Instanz und Ort) zu erzeugen. Fazit: Klingt alles sehr verdreht, auch wenn Nina vergleichsweise menschlich zu sprechen vermochte und nicht im Juristenslang versank.

Rechtsfoo mit Nina

Das zarte Störgefühl meinerseits war dann auch gleich Gesprächsthema im sich anschließenden Plausch, in dem es sich zentral um folgende Frage drehte: Ist ein Netzwerk, dessen offene Architektur zum freien Austausch von Wissen konzipiert wurde, die richtige Basis, um wirtschaftliche Begehrlichkeiten mit all dem juristischen Folgekrams rundum abzubilden? (Dazu werde ich mich wahrscheinlich mal in einem separaten Blogpost auslassen.)

Abschließend für Tag 1 stand noch Powerpoint-Karaoke auf dem Plan. Etwas, was ich bis dahin noch nicht kannte, aber nicht mehr missen möchte: Halte einfach mal spontan einen Vortrag zu einem Foliensatz, den du überhaupt nicht kennst!

Moeffju on Internet Sexuality

…und das war alles erst Tag eins. (Dabei hab ich noch mit keinem Wort die Diskussionsrunden rund um „Penis“, Godwyns Law oder die EU erwähnt, die ich noch so erlebte.)

Am Samstag kam ich zur Abwechslung bereits zum Frühstück pünktlich an (Diesmal kein Pferdekucken mit’m Nachwuchs). Nach Pfeffer mit Rührei ging es direkt weiter in die Sessionplanung, die (wohl im Gegensatz zum letzten Jahr) erneut sehr gut besucht war – trotz der Morgenstund für die Feierfraktion also.

sessionpitching

Als erstes gab @mthie sein Kontra zum „Freundlichsein“ vom Vortag – Und titulierte sich selbst ein Arschloch. Fazit: Dumme Menschen machen mein Nervenkostüm dünn, deswegen bin ich lieber Arschloch als scheinheilig.

asshole mthie

Weil mein Kopf langsam zu schwirren anfing, nahm ich mir nach der Session erst mal eine Auszeit und schrub stichwortartig nieder, was sich in meinem Kopf in den letzten so angesammelt hatte – quasi das Gerippe dieses Posts hier.

Nachdem dies länger dauerte als geplant, ging ich statt in die geplante Security-Session mit fukami zu einer Weinverkostung mit Anke und Volker – die sich über den Zeitraum von zwei Sessions erstreckte, aber statt der geplanten 6 zur verkostenden Weine gerade mal 3 schaffte. Gab schlicht zu viel über Anbaumethodiken, Rebsorten, unterschiedliche Länder mit unterschiedlichen Anbauarten, Prädikatsstufen, Geschmäcker und Geschichten, wie man zum Wein kam, zu berichten. (Insofern bin ich auch gar nicht mehr so verärgert über mich selbst, weil ich 3 eigene Weine vorbereitet hatte – und zuhause stehenließ.) Ich unterstütze daher explizit die Idee, dass die Session ein gesetztes Thema jedes Jahr wird – oder sogar über die gesamte Laufzeit explizit als „foodstream“ durchläuft.

Kurzer Kaffee, weiter ging’s – „Meine DM kam nicht von mir“, wieder von fukami, der (für technisch unversierte vermutlich sehr fix) DNS, IPv6 und Bonjour durchdeklinierte und aufzeigte, warum mit der Erweiterung des Adressraums des Internets ganz neue, mögliche Angriffsmöglichkeiten geschaffen werden, die auch das Abfangen aktuell verschlüsselter Kommunikation (z.B. via WPA2) grundsätzlich ermöglicht. Von den Schwachstellen wie Zertifikatsgebern und Co. mal ganz abgesehen.

Wegen großer Nachfrage lief schließlich auch am zweiten Tag nochmals die Session zu den autoerotischen Unfällen – die sich (diesmal mit noch mehr Publikum als beim Erstdurchlauf) nicht nur Morbus Kobold, sondern auch ganz anderen abwegigen Interessen bevorzugt älterer Männer an Feiertagen widmete – Thermometer, Drähte, Maden und Gabeln in Harnröhren; Billardkugeln, Zucchini oder Vibratoren ins Rektum zu befördern… wtf?

Kurz: Ein eher unterhaltsamer Schluss einer unglaublich intensiven, informativen und erfreulichen Erfahrung namens Barcamp. Und die Essenz ist das hier:

bchh13-Essenz

Ich möchte schließen mit einem Zitat: „Schönen Feierabend!“

PS: Einen lieben Gruß und ein dickes Dankeschön! an der Stelle an die Unmenge von Leuten, mit denen ich derart viel Spaß und interessante Gespräche hatte: @fukami, @lestoire, @scottytm, @abknicker, @mileonnet, @renehamburg, @mthie, @rosine_bictoria, @littlejamie, @franks, @moeglichewelten, @volkermampft, @misskenzita, @kaorime, @itbibi, @diehauteculture, @realcaropedia, @kurzundknapp, @moeffju, @manumarron, die twitterlose Katharina und allen, die ich in dieser Erinnerungsaufzählung grad ungewollt erfolgreich verdrängt habe – ihr wart mein #bchh13! <3

Update: Da existieren bereits erste Reviews, die ich an der Stelle noch gern verlinken würde: Sowohl Sabine als auch Rene haben ihre Eindrücke geschildert. Und den Link zu den Sessionplänen von Freitag und Samstag passen auch an diese Stelle.

Autor: steffen

Lebt. Liebt. Streitet.

3 Kommentare

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