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Urlaub? Kita ist Urlaub.

Ich bin so der Typ Mensch, der sich gern unvorbereitet in Abenteuer stürzt, direkt nach dem letzten Arbeitstag (oder noch am selben Abend) startet und so gar nicht erst einen Abstand von der Arbeit gewinnt, bevor er in das Alternativprogramm startet. Deswegen waren bei mir Urlaube auch nie wirklich Erholung, sondern eher Abwechslung vom Alltagsbrei. Andere Länder, andere Kulturen, anderen Sitten, das fasziniert mich unheimlich. Antennen nach außen gestülpt und ab dafür.

Diese Urlaube sind mit kleinen Kindern: tot. Wickeln hier, Gekreisch da, weil ein beliebiges der Kids nicht zum Zeitpunkt X den Ort Y verlassen möchte, die Orga in einer fremden Sprache (Holländisch/Flämisch geht bestimmt prima, wenn ich betrunken bin. Der Modus ist aber nicht so geil mit Kindern.) – Zeitplan einhalten, kindertaugliches Essen, die Logistik, die Nerven.

Kita ist Urlaub

Um dem Ganzen zu entgehen, gibt es Möglichkeiten, das Kind zu deponieren. Kennt jeder – KiTa, Kindergarten, Krippe, Großeltern. Mittags, wenn K2 mal übernickt, selbst mal eben 20min Augen zu: das ist Urlaub. Oma und Opa zu Besuch zu haben, die morgens die Kids aus den Betten picken und zum Bäcker düsen: das ist Urlaub.

Die kleinen Dinge

Gemeinsam mit den Kids zu verreisen ist erst mal keine Entspannung.

Und trotzdem lies sich diese Entspannung ab und zu mal blicken, als wir eine gute Woche im sehr ländlichen Drenthe in den Niederlanden verbrachten: Der lange Tag (zu zwei Erwachsenen geht das noch eher) ohne Mittagsschlaf, mehrfach exerziert, sorgt für Zeit zur Entspannung, zum Blogschreiben, Saunieren, Austausch, ruhige Planung der nächsten Tage. Und für Schlaf.

Das Restaurant, das wie selbstverständlich eine Kinderspielecke hat, die fast so groß ist wie der Rest des Ladens. Mit tatsächlich kindgerechtem Krams. (Und Essen, von dem ich erkleckliche Bestandteile an die Brut abtreten müssen durfte.)

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Der Indoor-Spielplatz, der neben allem, was sich Kinderherzen wünschen, auch eine brauchbare Cafeteria mit schnellem WLAN und bequemen Sitzen hat.

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Das Schwimmbad, das einen eigenen Buggyparkplatz hat, Becken für Kinder, die grad erst sitzen können, überall auch im Schwimmbad Kinderstühle und Laufgitter, Sitze zum Festschnallen der Kleinsten auch in den Umkleiden.

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Abwechslungsreiche Spielplätze mit riesigen Trampolinen, auf die ebenfalls die Kleinen mitkönnen, und Matschecken mit Wasserpumpen, mit denen man eigene Flussläufe graben kann. Wieder mit WLAN (wie überhaupt alles da) für die nichtkreischende Fraktion jenseits der Kindheitstage.

Trampolin

Wo immer die Holde dieses „Land van Bartje“ ausgegraben hat, sie hatte n Händchen dabei.

Das besondere Etwas

Und nicht zuletzt lag etwas in der Luft, dass sich jenseits der fotografisch nachweisbaren Fakten als erfreulich anders als der Alltag erwies: Die Leute ticken hier in den Niederlanden anders.

Mit dem Überqueren der Grenze stieg die Aufmerksamkeit der Menschen füreinander. Die Familienfreundlichkeit, die Fürsorglichkeit. Der Empath in mir war begeistert, der Techie fiel spätestens mit flächendeckendem Gratis-Highspeed-Internet im Regionalzug in NL um. Keine vierundzwanzig Stunden hier, und mir wird deutlich, wie sehr mich das technokratisch-deutsche, verbissene, teils entmenschlichte Miteinander schmerzt.

Die Zugbegleiter erzählen mit ihren Fahrgästen, so wie man das vom deutschen Friseursalon her vermuten würde. Als mir klar wird, dass ich unsere Kamera in einem vorherigen Zug hab liegen lassen, schreibt er sich alle Informationen auf, gibt mir seine Diensthandynummer, und telefoniert sämtliche vorherigen Züge in den Niederlanden ab, die wir vorher genutzt haben. Und nebenher bleibt trotzdem noch Platz für das Gespräch, die Neugierde, woher wir kommen, was uns in die Niederlande bringt, wie unser Leben mit den Kids läuft. Aufrichtiges Interesse, Einblicke in das Leben des Zugbegleiters und seine Erfahrungen mit Deutschland.

Im Ferienort angekommen gleicht sich das Bild: Freundliche Aufmerksamkeit, sei es vom Kellner, der auf die Große eingeht, so dass sie fast instinktiv ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufbaut. Im Indoor-Spielplatz, beim Bemalen von Vogelhäusern. Beim Ausflug mit dem Pferdegespann, als die junge Pferdebetreuerin instinktiv die Ängste vom Fleischbärchen vorm Pferd wahrnimmt und ihr das Pferd nicht aufdrängt, sondern dem Kind Zeit lässt, langsam Nähe zu gewinnen.

Andere Dimensionen

Anfangs dachte ich, mit Kindern geht so „Urlaub“ nicht mehr. Ich stand dem Ganzen sogar ablehnend gegenüber, weil wir keine Entspannung und die Kinder keine Erinnerung haben würden, so meine Annahme. Und beides stimmt sogar – zu weiten Teilen.

Wir haben keine Sauna zuhause. Und wenns nach mir geht, bleibt das so. Saunieren ist trotzdem schön. Punkt für die Ferienunterkunft. Einkaufen auf dem Markt geht im Heimatort genauso gut. Aber die lokalen Produkte sind hier andere.

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(Das im Darm, meine lieben, waren mal Pferde. Ungewohnter Geschmack, aber trotzdem lecker.)

Öffis nutzen mit zwei Kindern und halbem Hofstaat ist auch in Deutschland möglich. Aber Rücksicht und die Selbstverständlichkeit, mit der es in den Niederlanden Familien ermöglicht wird, sie zu nutzen, ist eine ganz andere Hausnummer. (Mit voll beladenem Kinderwagen plus Koffer plus Kinder aus nem deutschen IC zu kommen sollte ne eigene olympische Disziplin werden.)

Anderes Land, andere Kultur, andere Sitten: Ich hatte einen Urlaub, wie ich ihn mir nicht zu erhoffen gewagt hätte. Nur eben in einer anderen Dimension. Der familiären.

Dank je wel voor een geweldige tijd, Nederland.

Autor: steffen

Lebt. Liebt. Streitet.

7 Kommentare

  1. Hej, das klingt richtig nett – erinnert mich an Skandinavien, wo wir uns mit unseren Küstenkindern auch sehr willkommen fühlen 🙂

    Viele liebe Grüße, Küstenmami

    Antworten

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